Lesen Sie am besten zuerst Teil 1 der Zusammenfassung. Die Angaben in (Klammern) geben die entsprechenden Seiten im Buch an.
II. Kapitel. Grundsätze einer wissenschaftlichen Betriebsführung
Das Kapitel erläutert die Gründe und Vorzüge eines Pensumsystems, bei dem die Tagesleistung vorher bestimmt wird, gegenüber dem Stücklohn bzw. Stundenlohn.
Der aktuelle Zustand
In heutigen Betrieben gibt es üblicherweise 20 – 30 verschiedene Gewerke, viele davon blicken auf mehrere hundert Jahre an Entwicklungszeit zurück. Jede Generation hat dabei die Methoden und Werkzeuge immer weiter entwickelt. Allerdings stellt man fest, dass es selbst für einfache Tätigkeiten oft fünfzig oder mehr Methoden gibt, diese auszuführen. Keiner der Vorgänge wurde dabei systematisch untersucht oder dokumentiert. Die Kenntnisse liegen nahezu ausschließlich in den Händen der Arbeiter, die Leitung ist kaum in der Lage die Vorgänge selbst durchzuführen (33 f).
Die Leitung kann somit nur auf die Initiative der Arbeiter hoffen, bzw. diese dazu ermuntern. Allerdings wird diese kaum geschehen, da dies wie bereits gezeigt nicht im Interesse der Arbeiter ist (Stichwort Drückebergertum) (35).
Der Ansporn zu mehr Arbeit kann auf verschiedene Weisen erfolgen, z.B. durch höhere Löhne, die Aussicht auf Beförderung, die Reduzierung der Arbeitszeiten, etc. (35).
Vor allem aber sollte mit diesem besonderen Ansporn die persönliche Wertschätzung des Arbeiters und die enge Fühlungnahme mit ihm Hand in Hand gehen. Letzteres kann nur der Ausdruck eines ehrlichen und warmen Interesses an der Wohlfahrt des Untergebenen sein (35f).
Das neue Kraftsparsystem
Nachfolgend wird dargelegt, warum das neue „Kraftsparsystem“ besser ist als bisherige Entlohnungssysteme. Der Erfolg eines Systems hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, die Initiative des Arbeiters für sich zu gewinnen (37).
Damit eine vorher bestimmte Leistung von Arbeiter tagtäglich eingehalten werden kann, werden dem Leiter neue Aufgaben übertragen. Es ist seine Aufgabe die übermittelten Kenntnisse zusammenzutragen und daraus Regeln, Gesetze und Tabellen zu bilden, kurz das Wissen zu sichern und zu ordnen. Darüber hinaus übernimmt die Leitung weitere Pflichten (38 f):
- Entwicklung eines Systems, dass die Faustregel-Methode ersetzt
- Auswahl, Schulung und Weiterentwicklung des geeigneten Personals, anstatt dies den Leuten zu überlassen
- Arbeit in „herzlichem Einvernehmen mit den Arbeitern“
- Gleichmäßige Verteilung der Arbeit und Verantwortung auf Leitung und Arbeiter
Insbesondere der letzte Punkt ist neu. Musste sich der Arbeiter im alten System mit den Werkzeugen, der Methode, den notwendigen Regeln und so weiter auseinandersetzten und zudem noch die Arbeit erledigen, wird ihm im neuen System ein Großteil der planenden Arbeit abgenommen. Denn es ist physisch kaum möglich, die Arbeit selbst zu erledigen und sie gleichzeitig wissenschaftlich zu analysieren (40).
„Um es kurz zusammenzufassen: Unter dem Initiativesystem ist die Lösung tatsächlich ganz dem Arbeiter überlassen, unter dem neuen System mindestens zur Hälfte der Leitung“ (41)
Die Pensumidee ist das grundsätzlich Neue am System. Die zu leistende Arbeit wird von der Leitung vorher exakt festgelegt. Es wird dabei nicht nur festgelegt, was zu tun ist, sondern auch wie und womit. Immer wenn die festgelegte Arbeit einwandfrei erledigt wurde, erhält der Arbeiter einen Zuschlag von 30% – 100% (41). Dabei muss die Arbeit so festgelegt werden, dass diese tagtäglich erledigt werden kann ohne den Arbeiter zu überlasten oder ihn gesundheitlich zu schädigen (42).
Verladen von Roheisen (Beispiel I zur Pensumidee)
Das Verladen von Roheisen ist denkbar simpel. Ein Arbeiter nimmt einen Eisenbarren (ca. 42 kg), trägt ihn ein Stück und wirft ihn dann auf einen Haufen oder stapelt ihn.
Einen intelligenten Gorilla könnte man so abrichten, daß er ein mindestens ebenso tüchtiger und praktischer Verlader würde als irgend ein Mensch. (43)
Dennoch stecken selbst in einer solch simplen Arbeit viele wissenschaftliche Zusammenhänge, sodass ein Gebildeter benötigt wird um diese zu erkennen. Je komplizierter die Arbeit wird, desto schwieriger für den einzelnen Arbeiter die Vorgänge zu erfassen oder zu verbessern. Daher ist die wissenschaftliche Analyse notwendig (43).
Das Roheisen bei Bethlehem Steel Co. wurde durch ungefähr 75 Durchschnittsverlader unter Führung eines Top-Vorarbeiters verladen. Das Eisen wurde von einem Roheisenhaufen über eine Planke auf einen Eisenbahnwagen geladen und dort wieder abgeworfen. Durchschnittlich wurden 12,5 Tonnen Roheisen pro Tag und Mann verladen. Es wurde allerdings errechnet, dass ein guter Verlader 47 – 48 Tonnen pro Tag verladen kann (45).
Nun galt es die richtigen Arbeiter für eine solche Menge zu finden, denn nicht jeder eignet sich für diese Arbeit gleich gut und jeder Arbeiter muss für sich selbst betrachtet werden, nicht „en masse“ (46).
Zuerst werden die geeigneten Arbeiter ausgesucht. Im nächsten Schritt wird der Arbeiter überzeugt, und über ein höheres Entgelt angereizt, die zusätzliche Leistung zu erbringen, mit der zusätzlichen Bedingung, dass er sich exakt an die Vorgaben hält. Taylor rechtfertigt die grobe Art der Kommunikation mit der „geistigen Unbeholfenheit“ des Arbeiters (49).
Der im Beispiel angesprochene Arbeiter arbeitete drei Jahre nach dem neuen System und erreichte stets das errechnete Pensum. Dadurch erhöhte er seinen Lohn um 60% (bei ungefähr vierfacher Leistung).
Dreher in der Maschinenfabrik (Beispiel II)
Wie vorher schon beschrieben wird auch in dieser Firma (Midvale Steel) die Arbeitsleistung durch die Arbeiter bestimmt. Diese hatten sich auf ungefähr die Hälft der möglichen Tagesleistung geeinigt (52). Nachdem Taylor Meister in der Fabrik wurde erhielt er offene und subtile Drohungen, damit er die geforderte Leistung nicht erhöht. Selbst die Sabotage der Maschinen mit anschließender Schuldzuweisung an die Meister, die die überhöhte Leistung veranlasst hatten, war ein übliches Mittel um nicht schneller arbeiten zu müssen (53).
Taylor konnte die Produktivitätssteigerungen trotzdem durchsetzen, auch deshalb, weil er nicht aus einer Arbeiterfamilie stammte. Erstens waren seine Argumente dadurch glaubwürdiger vor der Leitung, zweitens konnte er dem sozialen Druck so besser standhalten (54 f).
Auf die vertraulich gestellte Frage einzelner Arbeiter, ob Taylor ihnen raten würde mehr zu arbeiten, antwortete er, er würde sich genauso gegen mehr Arbeit sträuben. Das Entlohnungssystem entlohnt diese Mehrarbeit schlicht nicht (55).
Hindernis für eine faire Bezahlung war die Unkenntnis über die billigerweise einforderbare Arbeitsleistung pro Tag. Daher führte Taylor Studien zur Arbeitsermüdung schwerer Arbeit durch (56 f). Dabei wurde versucht, die Leistung eines Menschen in ein PS-Äquivalent zu übertragen, was selbst nach drei Versuchsreihen nicht zufriedenstellend gelang (58 f). Später wurden Gesetzmäßigkeiten für verschiedene Tätigkeiten wie Heben, Stoßen und die notwendigen Ruhephasen erkannt. Auch wenn ein Arbeiter einen Eisenbarren stehend hält ist dies eine Belastung für ihn, obwohl er im physikalischen Sinne keine Arbeit erbringt (60 f).
Daher sind die korrekte Anleitung und die Einhaltung der Pausen ausschlaggebend für ein ermüdungsfreies und effizientes Arbeiten (62).
Die richtigen Leute für die richtige Arbeit
Viele Betriebsleiter bestätigen, dass unter dem bestehenden Entlohnungssystem kaum mehr als 25 Tonnen Roheisen pro Tag verladen werden können (63f). Doch im Pensumsystem ist auch nur jeder achte Arbeiter in der Lage die Leistung von 47,5 Tonnen pro Tag zu erzielen. Daher kommt der richtigen Personalauswahl eine entscheidende Rolle zu. Nicht jeder eignet sich für jede Arbeit gleichermaßen.
Diese Auswahl kann jedoch nur durch den Vorgesetzten erfolgen, denn wer würde schon freiwillig zugeben, dass er für etwas ungeeignet ist? Ziel war es nicht, die Arbeiter zu entlassen, sondern für jeden eine geeignete Arbeit zu finden, zu der er überdurchschnittlich begabt war (66 f).
Auch Schaufeln ist eine Wissenschaft (Beispiel III)
In Anlehnung an die Ermüdungsuntersuchungen wurde festgestellt, dass die ideale Schaufellast, bei ungefähr 9,5 kg liegt. Das heißt bei einer durchschnittlichen Last von 9,5 kg konnte die größte Tagesleistung erbracht werden (68).
Weitere Untersuchungen wurden zur richtigen Handhabung, dem Hineinstoßen in den Materialhaufen, der Wurfhöhe und so weiter unternommen. Anhand dieser Daten konnte für jede Tätigkeit die beste Schaufel ausgewählt werden (70 f).
Um jedem Arbeiter die korrekte Arbeit zuzuweisen und die notwendigen Planungen durchzuführen war die Einrichtung eines „Arbeitsbureaus“ notwendig. Dort wurde mit Hilfe von Lageplänen und Karten die Arbeit für den nächsten Tag geplant, um Ineffizienzen bei der Verteilung der Arbeiter zu vermeiden (72).
Die Arbeiter sollen dabei nicht als Masse behandelt werden, sondern jeder individuell geschult und gefordert werden (73).
Die Ergebnisse des neuen Systems: Nahezu halbierte Kosten
Drei Jahre nach Einführung des neuen Systems betrugen die Kosten für Verladen und Transport (inklusive Administration und Bureau) nur noch 3,3 Cent je Tonne, gegenüber 7,2 Cent je Tonne vor Einführung (74).
Den größten Effekt des neuen Systems sieht Taylor allerdings in den deutlich besseren Lebensumständen der Arbeiter und dem guten Verhältnis zur den Vorgesetzten.
Sie bildeten die beste Gruppe von Tagelöhnern, die ich jemals beisammen gesehen habe (75).
Individuelle Leistung vor Teamleistung
Das System funktioniert allerdings nur, wenn jeder Arbeiter für seine Leistung direkt verantwortlich ist. Zudem erwies sich ein Bonus von 60% als optimal zur Besserung der Lebensumstände. Höhere Bonuszahlungen führten zu Unzuverlässigkeit, Verschwendung und Vergnügungssucht (76 ff).
In einer anderen Firma erhielten die Arbeiter mehr Lohn pro Tonne, allerdings wurde dieser jeweils für eine ganze Gruppe berechnet. Aufgrund von Gruppendynamik (Ich arbeite nur, wenn du auch arbeitest) war der so erreichte Tageslohn geringer als im Pensumsystem (78 ff).
Die Wissenschaft des Mauerns (Beispiel IV)
Die Untersuchungen lassen sich nicht nur beim Verladen von Roheisen oder dem Schaufeln anstellen, sondern auch bei einem der ältesten Handwerke, wie dem Mauern. Obwohl das Handwerk schon seit vielen Hundert Jahren praktiziert wird, gab es in letzter Zeit wenig Fortschritt (80).
Durch eine Reihe von Studien konnte das Mauern stark beschleunigt werden. Bewegungsstudien helfen unnötige Bewegungen zu eliminieren. Durch die sinnvolle Anordnung aller Werkzeuge und die Verwendung neuer Hilfsmittel konnte der Aufwand weiter reduziert werden (81). Vorarbeiten und genau festgelegte Konsistenz der Materialen beschleunigten das Mauern weiter. Dadurch ließ sich in einem Beispiel die Leistung von 120 auf 350 Ziegel pro Stunde erhöhen (85).
Allerdings kann ein Maurer nur so schnell arbeiten, wenn das ganze System, sprich alle Maurer in der selben Geschwindigkeit an einer Mauer arbeiten. Dies ist wohl einer der Gründe, warum sich das neue System bis jetzt nicht durchsetzte: Es gab keine Autorität die die Geschwindigkeit geplant veranlasste (86).
Das neue Arbeitssystem verlangt allerdings, dass alle Beteiligten, inklusive der Hilfsarbeiter und der Leitung wie in einer Kette zusammenarbeiten. Zur Motivation sollte die erbrachte Leistung regelmäßig honoriert werden (87f).
Vier Grundlagen des Scientific Management
Die vier Elemente der wissenschaftlichen Betriebsleitung sind (89):
- Ableitung und Aufbau der Wissenschaft des Arbeitsfeldes. Zweckmäßige Normierung der Geräte und Bedingungen (durch die Leitung)
- Sorgfältige Auswahl und Schulung erstklassiger Leute
- Bindung der Leute an das wissenschaftliche System durch Nachschulung und Prämienzahlung
- Gleichmäßige Verteilung der Arbeit auf Arbeiter und Leitung. Die Leitung ermutigt und ebnet dabei den Weg für die Arbeiter
Kontrolle von Stahlkugeln (Beispiel V)
Eine Firma stellt Stahlkugeln für Fahrräder her. Das Beispiel behandelt die finale Inspektion der Stahlkugeln. Diese Inspektion erfolgte vor der Reorganisation durch ca. 120 Mädchen im Stundenlohn (90f).
Eine Untersuchung brachte zu Tage, dass während des 10,5-stündigen Arbeitstages ein Großteil der Zeit gar nicht gearbeitet wurde. Da die Arbeitszeit scheinbar zu lang ist erkundigte sich Taylor, ob die vorgesehene Arbeit, bei gleichem Tageslohn in 10 Stunden erledigt werden könnte, was die Mädchen bestätigten, aber nicht wollten (91 f).
Mithilfe von Sanford E. Thompson und H.L. Gantt reduzierte er die Arbeitszeit, bei gleichem Lohn, jedoch Stückweise auf 8 Stunden: Durch Untersuchungen wurde herausgefunden, dass der „persönliche Koeffizient“, die Geschwindigkeit der Wahrnehmung, bei den Mädchen sehr unterschiedlich war. Nur diejenigen mit schneller Auffassungsgabe wurden weiter in der Prüfung beschäftigt (93 f).
Qualität vor Quantität
Höhere Stückzahlforderungen führen oft zu Qualitätsproblemen, was in einem Prüfarbeitsgang keinesfalls vorkommen sollte. Vor jeder Mengensteigerung muss daher sichergestellt werden, dass die Qualität nicht darunter leidet. Dies wurde im Falle der Kugelprüfung durch zweistufige anonyme Nachkontrollen sichergestellt. Die Nachprüferinnen wurden durch präparierte Tests zudem kontrolliert (95).
Auf diese Weise wurde jegliche Versuchung, die Arbeit auf die leichte Schulter zu nehmen – zu hudeln – wie der Terminus technicus lautet, beseitigt (95 f).
Vorgehen zur Quantitätssteigerung
Durch Rapporte und Kennzahlen wurde es möglich, die Leistung unabhängig und unparteiisch zu ermitteln. Durch Bonuszahlungen wurde der Ehrgeiz geweckt. Anschließend wurde die Arbeit systematisch untersucht. Da sich nach ca. 1,5 h Arbeit Nervosität erkennbar machte, wurde alle 1,25 h eine zehnminütige Zwangspause eingeführt. Zudem wurden die Tischabstände soweit erhöht, dass man sich während der Arbeitszeit nicht unterhalten konnte und so konzentriert arbeiten konnte / musste (97).
Nachdem die idealen Bedingungen hergestellt wurden und die ermüdungsfreie Leistung bestimmt wurde, konnte auf ein Differentiallohnsystem umgestellt werden. Dabei stieg der Verdienst proportional mit Qualität und Quantität (98).
Diese Prämie muss so bald wie möglich gezahlt werden um den besten Effekt zu erzielen. Zudem soll die Leistung durch den Arbeiter selbst abschätzbar sein. „Weniger entwickelte Charaktere“ sollen zusätzlich durch den Vorgesetzten angeeifert werden und dieser sich ihnen freundlich annehmen (99).
Daher sind auch Gewinnbeteiligungen, die zeitlich stark verzögert ausgeschüttet werden und deren Höhe zudem nicht direkt beeinflusst werden kann, ein ungeeignetes Mittel zu Leistungssteigerungen (100).
Ergebnisse und Vorteile des neuen Systems
Ergebnis der Verbesserungen: Die Arbeit wird bei 2/3-mal größerer Genauigkeit von nur noch 35 statt ehemals 120 Mädchen erledigt (100).
Mit folgenden Vorteilen für die Mädchen (101):
- 80 – 100 % höherer Lohn
- Reduzierung der Arbeitszeit von 10,5 h auf 8,5 h
- Gefühl, dass die eigene Leistung zählt und durch einen Lehrer gefördert wird
- Zwei bezahlte Urlaubstage
Und folgenden Vorteilen für die Gesellschaft (101 f):
- Wesentliche Qualitätsverbesserung
- Deutliche Verringerung der Prüfkosten
- Gutes Arbeitsklima zwischen Leitung und Angestellten
Scientific Management bei höheren Arbeitsgattungen: Die Metallbearbeitung
Systematische Untersuchungen führen sogar in vorbildlich geführten Unternehmen mit erfahrenen Mitarbeitern zu hohen Produktivitätssteigerungen. Dies gilt auch für kompliziertere Arbeiten wie die Metallbearbeitung. Zuerst wurden Referenzwerte für die Maschinenparameter, sowie die Rüst- und Einzelzeiten ermittelt (102 ff).
Danach wurden mit Hilfe von Rechenschiebern die „richtigen“ Geschwindigkeiten und Vorschübe ermittelt. Zudem wurden Werkzeuge aus Schnelldrehstahl mit korrekten Schnittwinkeln hergestellt. Ein speziell angefertigter Rechenschieber ermöglichte es dem Arbeiter, die Berechnungen selbst vor Ort auszuführen. (105). Durch diese Maßnahmen verkürzte sich die Bearbeitungszeit um das 2,5- bis 9-fache (106).
Scientific Management vs. Faustregeln
Der Übergang von überlieferten Faustregeln zu wissenschaftlich-methodisch ermittelten Werten ist ein zentraler Bestandteil der Methodik.
Nicht über Nacht
Eine solche Umstellung lässt sich bei 300 Mitarbeitern allerdings nicht über Nacht erreichen. Dazu bedarf es vieler Vorführungen und Überzeugungsarbeit. Die Verdopplung der Produktivität innerhalb von drei Jahren ist möglich. Durch die methodische Aufbereitung muss man sich nicht mehr ausschließlich auf die Geschicklichkeit eines Arbeiters verlassen. Dank, z.B. des Rechenschiebers an der Maschine kann selbst ein just eingelernter Arbeiter sehr gute Leistungen erbringen (106 f).
Häufig ähnliche Probleme
Man könnte nun annehmen, dass es in jedem Betrieb ganz unterschiedliche Probleme zu lösen gilt, bei genauerer Untersuchung stellt sich allerdings heraus, dass es sich häufig um ähnlich gelagerte Probleme handelt. Metallbearbeitung und Schnittgeschwindigkeiten sind gleich, egal ob es sich um Dampfmaschinenteile oder andere Dinge handelt (108).
Ziel muss es sein aus Faustregeln allgemeine Gesetze abzuleiten und die gewonnenen Erkenntnisse allen Mitarbeitern zu lehren (110).
Untersuchungen zur Metallbearbeitung
In Versuchen bei der Midvale Steel Co. wurde untersucht mit welchen Schneidewerkzeugen die besten Ergebnisse auf einer Bohrmaschine erzielt werden konnten. Obwohl sich die ein halbes Jahr dauernden Versuche nach kurzer Zeit amortisierten, wurde klar, dass das so ermittelte Wissen nur ein Bruchteil dessen ist, was zur Metallbearbeitung erforscht werden kann und muss (111 f).
Die ca. 30.000 bis 50.000 Versuche zur Stahlbearbeitung dauerten 26 Jahre und kosteten zwischen 150.000 – 200.000 Dollar. Dennoch konnten keine abschließenden Ergebnisse ermittelt werden, da die korrekte Schnittgeschwindigkeit und der Vorschub von 12 unabhängigen Variablen in einer komplizierten mathematischen Gleichung beschrieben werden (112 f). Dazu zählen unter anderem die Qualität des Metalls, die chemische Zusammensetzung, die Form der Schneide, die Art der Kühlung etc. (113 ff).
Selbst nachdem geeignete Formeln zur Beschreibung der Probleme gefunden wurden, mussten Methoden entwickelt werden, wie sich diese schnell genug lösen ließen. Ein guter Mathematiker würde zur Lösung der Formel deutlich länger brauchen als ein Arbeiter zur Herstellung aller notwendigen Werkstücke (117).
Mit einem später entwickelten Rechenschieber konnten die Gleichungen innerhalb einer Minute gelöst werden, egal von wem (118). Die Erkenntnis war wichtig, da die Maschinenparameter in fast allen Fabriken nach Gutdünken oder Erfahrungswerten eingestellt wurden (120).
Die Vorteilhaftigkeit des Scientific Management liegt nicht in den einzelnen Werkzeugen, sondern in den angewandten Grundsätzen der Wissenschaftlichkeit (121).
Quellen
Titelbild: Pixabay (bearbeitet).
Alle Seitenangaben (in Klammern) beziehen sich auf: Taylor, Frederick Winslow (1983): Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung (The Principles of Scientific Management). 2. Auflage München: Raben-Verlag. (Nachdruck der Original-Ausgabe von 1919).
Teil 3 folgt im nächsten Beitrag.