Oft geht man zu einem Treffen mit anderen, tauscht sich aus, ist sich nicht einig und hat dabei am meisten gelernt. Genauso war es neulich beim Lean Stammtisch. Wir haben über KVP Briefkästen diskutiert. „KVP ist toll, es ist das deutsche Kaizen“ heißt es so oft. Doch KVP ist eher „Gut gemeintes, aber schlecht gemachtes Kaizen“
Warum sind KVP Briefkästen schlecht? Sie helfen beim Kontinuierlichen Verbesserungsprozess und, dass alles in geordneten Bahnen abläuft.
1. KVP Briefkästen sind Bermudadreiecke
Man steckt eine gute Idee hinein und plötzlich ist sie verschwunden, sie wurden nie wieder gesehen. So erlebe ich das zumindest oft mit den Briefkästen. Mit bester Gesinnung wurden sie angebracht, doch heute fühlen sich Spinnen wohl darin.
Briefkästen wurden für örtlich gebundene aber zeitlich flexible Kommunikation erfunden. Man kann Ihnen etwas mitteilen ohne, dass Sie gleichzeitig anwesend sein müssen. Das ist oft praktisch, doch nicht dann wenn eine Lösung für ein Problem gesucht wird.
2. Lean heißt Verschwendung vermeiden
Als Mitarbeiter habe ich eine Idee und möchte an meinem Arbeitsplatz etwas verbessern. Ziel ist es also diese Änderung so schnell wie möglich zu erreichen.
Das Ausfüllen der Karte, die Bewertung durch wen auch immer, die Rückfragen und die anschließende Genehmigung sind alles nicht wertschöpfende Tätigkeiten. Ja, es muss manchmal vielleicht sein, doch ist es für unser Ziel, die Änderung am Arbeitsplatz, nichts als Verschwendung.
„Ja, aber wir brauchen den KVP Zettel um unsere internen Prozesse abzubilden.“
Wem nutzt KVP dann am meisten? Vielleicht dem Controlling oder den Führungskräften doch sicher nicht dem Mitarbeiter, der etwas verändern will. Das macht ihm nur das Leben schwer.
3. Lean heißt Respekt für die Menschen
Ich habe neulich mit einem Kundenberater eines Großunternehmens telefoniert. Mit hat da etwas nicht gepasst und ich habe mich beschwert. „Wenden Sie sich dafür bitte an die Beschwerdehotline“. Na toll. So muss sich jemand fühlen der eine KVP Karte ausfüllt. Ich habe ein Problem und anstatt es meinem Ansprechpartner zu sagen, muss ich es einer anderen Person erklären, die gar nicht weiß um was es geht.
Man fühlt sich ernst genommen. Den Kontakt zum Großunternehmen lässt man dann genauso bleiben, wie den zur KVP Box.
4. Lean heißt schnell handeln
Es wird ein Problem erkannt, eine Lösung vorgeschlagen, diese ausprobiert und sofort umgesetzt und dokumentiert. Am besten läuft all das in einer Woche.
In vielen Unternehmen liegt die Durchlaufzeit eines Verbesserungsvorschlags leider bei mehr als 30 Tagen. Häufig gibt es noch Leichen mit mehreren Monaten Verweildauer im System.
Das alles klingt nicht wirklich nach agilem Unternehmen. Vielleicht kann der Briefkasten nichts dafür, doch dagegen hilft er keinesfalls.
5. Lean heißt Verantwortung übernehmen
Lean bedeutet, dass jeder für seinen Arbeitsbereich und seine Werkzeuge verantwortlich ist. Wenn Sie jeden Tag an einer Anlage arbeiten, kennen Sie alle Macken und Probleme am besten. Sie wissen was zu tun ist, wenn die Lampe leuchtet oder ein bestimmtes Geräusch auftaucht.
Deshalb wird in einem schlanken Unternehmen die Reinigung und vorbeugende Instandhaltung oft von den Mitarbeitern an der Anlage durchgeführt, ganz nach dem Motto:
„Das ist meine Anlage, ich bediene sie und sorge dafür, dass alles rund läuft. Dafür stehe ich mit meinem Namen“
Genauso sollte es mit Verbesserungen auch sein. Der Mitarbeiter kümmert sich verantwortlich und selbständig um die Verbesserung.
6. Lean heißt Wertschätzung und nicht Gutscheine
Kennen Sie das: Sie arbeiten an etwas das unbedingt fertig werden muss, doch wissen sie nicht so recht warum. Dann kommt der Chef herein und sagt: „Das war Klasse, tolle Arbeit gestern, ich konnte das wirklich gut gebrauchen“. Der Tag ist gerettet und Sie stürzen sich voller Elan in die nächsten Aufgaben.
Wie würde sich das ganze Anfühlen, wenn Sie zwei Monate nach der Arbeit einen Gutschein über 10 Euro bekommen? Eher wie eine Radarfalle. Wenn die Rechnung kommt, weiß man gar nicht mehr wofür. Und so ist es mit den Prämien die nach langer Prüfung ausgezahlt werden. Außerdem gibt es keine belastbaren Hinweise, dass finanzielle Anreize wirklich helfen.
Zeigen Sie Respekt und Achtung für die Vorschläge, nicht irgendwelche Gutscheine.
7. Lean heißt Teamarbeit
Häufig bedeutet eine Verbesserung an einem Ort eine Veränderung an einem anderen Ort. Sie könnten besser Arbeiten, wenn die Teile anders angeliefert würden. Dies bedeutet eine Änderung beim vorhergehenden Arbeitsgang. Doch dort arbeitet man besser, wenn die Teile so liegen, wie sie liegen.
Ein Kärtchen in einem Briefkasten erzeugt außer Streit und Unmut wenig. Notfalls wird die Veränderung angeordnet und die ganze Situation verschlimmbessert.
Gerade bei so etwas muss Verantwortung übernommen und zusammengearbeitet werden. Vor Ort. Mit allen Beteiligten.
Und wie geht es dann besser?
Lösen Sie die Probleme, die Sie mit den Briefkästen geschaffen haben. Schritt eins: Schmeißen Sie den Briefkasten raus.
Echtes Shopfloor Management
Treffen Sie sich regelmäßig, z.B. wöchentlich mit allen Mitarbeitern und den Verantwortlichen am Ort des Geschehens und sprechen Sie die aktuellen Probleme an.
Idealerweise sind alle, die zur Entscheidungsfindung benötigt werden anwesend. Also Mitarbeiter, Vorgesetzte, Fertigungsplaner etc.
Denken Sie daran: Jedes Mal, wenn Sie als Vorgesetzter nicht erscheinen, zeigen Sie: Mir ist das egal, das ist mir nicht wichtig.
Die Treffen und die Entscheidungsfindung sollten:
- Kurz sein
- Im Stehen abgehalten werden
- Einer Checkliste folgen
Oft wird das Ganze an einem Board mit Karten dokumentiert (Zuständigkeit, Status, offene Punkte).
Verantwortung und Befugnisse übergeben
KVP bedeutet Bittsteller vor der Fertigungssteuerung / dem Industrial Engineering. Erst wenn dort entschieden wird, wird das Problem weiter bearbeitet.
Damit sagen Sie nichts anderes wie: Als Mitarbeiter seid Ihr die unterste Ebene der Hierarchie. Wir wollen zwar eure Ideen, aber nur dann, wenn es uns passt.
Drehen Sie den Spieß um. Geben Sie die Verantwortung und die Befugnisse den Mitarbeitern vor Ort. Die Fertigungssteuerung muss dann die Mitarbeiter bei der Problemlösung unterstützen. Verzögert sich ein Vorschlag, wird dies während eines Shopfloor Treffens besprochen. Dabei fordert der Mitarbeiter aktiv die offenen Punkte von den anderen Abteilungen ein. Unterstützt wird er dabei von einer deutlich höheren Hierarchie (Abteilungsleiter, Fertigungsleiter o.ä.).
Das klingt radikal, doch wenn Sie aktive Mitarbeiter wollen, dann geben Sie Ihnen auch die Chance dazu.
Wann reißen Sie die Briefkästen ab?
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