Das mag an Haarspalterei erinnern oder eine 5W Analyse. Oder es mag Sie gar nicht interessieren, weil Sie lieber Parkplätze suchen, doch aus einer Lean Perspektive ist es interessant.
Hier geht es um U-Bahnen, Tubes, Metros oder wie auch immer das Verkehrsmittel heißt. Doch es geht nicht um die Züge, sondern um die Einlasskontrollen oder deren Abwesenheit.
Bahnsteigsperre – In Deutschland abgeschafft in China zum Gate ausgebaut
„Bahnsteigsperren, was hat denn das mit Lean zu tun?“ fragt sich der New Yorker.
Der Berliner erinnert sich nur noch schwach, denn sowas gibt’s in der Hauptstadt nicht mehr. In Deutschland wurde die letzte Bahnsteigsperre 1974 zur WM abgeschafft.
In China hingegen werden die Sperren zu Gates wie am Flughafen aufgerüstet. Die Schweizer hatten solche Sperren nie. Doch welches System ist schlanker?
Ein Vergleich.
Berlin vertraut den Leuten – Die Vorteile
Der Prozess ist einfacher. Raus aus dem Haus und zur Station gerannt. Sie müssen Ihren Geldbeutel nicht rausnehmen oder sogar in der Schlange warten. Jeden Tag sparen Sie etwas Zeit und das Hantieren mit dem Ticket. Aus Kundensicht ist das angenehm.
Klar wird man ab und zu kontrolliert, doch dies ist eine Stichprobe und findet nicht täglich statt. Ist etwas defekt oder Sie haben einen Vorschlag? Dann ist man froh über einen persönlichen Ansprechpartner. Durch den direkten Kundenkontakt könnte sich die Bahn (theoretisch) sogar schneller verbessern und kleine Fehler beheben, ganz im Sinne von Lean Startup J.
Für den Betreiber fällt die Wartung der Drehkreuze oder Bahnsteigsperren weg. Die Bahnhöfe müssen zudem nicht so stark abgeriegelt werden. Keine Zäune und Gitter. Vor allem bei oberirdischen Stationen erspart dies zahlreiche Baumaßnahmen.
Kontrollen kosten – Die Nachteile
Nicht lean sind die Kontrollen. Sie sind nicht in den Prozess integriert und müssen extra durchgeführt werden. Es entstehen Kontrollkosten.
Eine 100% Kontrolle kann nicht wirtschaftlich erreicht werden. Die Schwarzfahrerquote ist irgendwo zwischen eineinhalb und drei Prozent.
Manch einer versucht das System mit einer Art Schwarzfahrerversicherung zu umgehen bis es gerichtlich untersagt wird. Für den Betreiber zeigt das Aufkommen einer solchen Versicherung, dass zu wenig kontrolliert wird und es daher ökonomischer ist in die Versicherung als eine Monatskarte zu investieren. Auch wenn dies für den Einzelnen wirtschaftlich sinnvoll erscheint, hat dies für mich wenig mit Anstand zu tun.
Ticket vergessen geht nicht – Die Vorteile in New York
In New York, Turin oder Almaty sieht die Sache anders aus.
Das System ist Poka Yoke mit einer angestrebten hundert Prozent Kontrolle. Man kann gar nicht ohne Fahrkarte in die U-Bahn, also gibt es auch keine vergessenen Fahrkarten. Entweder man hat eine Karte und die Türe dreht sich oder eben nicht.
Jeder kennt die peinliche Situation wenn jemand beim Schwarzfahren erwischt wird. Keiner schaut hin aber alle sehen es. Ausweis rauskramen, Namen notieren und für den Rest der Fahrt hat der Schwarzfahrer das Image des kleinen Kriminellen. Dies fühlt sich nicht gut an. Das gibt bei den Einlasskontrollen nicht. Ist man drin hat man ein Ticket und keine Angst vor dem Kontrolleur.
Personal braucht man doch – Nachteile in New York
Das Lesegerät funktioniert nicht, das Drehkreuz klemmt oder man hat einen großen Kinderwagen. Da die Systeme ausfallen können braucht es doch Personal. Bei großen Stationen wird wohl immer jemand vor Ort sein. Bei kleineren muss man vielleicht eine Nummer anrufen und warten bis ein Mitarbeiter kommt.
Glauben Sie nicht, dass Sie elegant über das Drehkreuz stehgen können. Mit einem Sprung übers Gitter sind Sie in New York schneller hinter Gitter als Sie glauben. Das mag der Abschreckung dienen. Doch mal ehrlich? Ich würde lieber 40 Euro auf Rechnung bezahlen als ein paar Stunden hinter Gitter zu verbringen. Lean und kosteneffizient ist das ganze Polizeiaufgebot und der Zeitverlust für den Kunden zudem garantiert nicht.
Jeder hat ein Ticket, doch kann ein Erwachsener auch ein Kinder- oder Seniorenticket kaufen. Das muss auch wieder kontrolliert werden, ganz ohne Kontrolleure geht es also nicht.
Wird nur sehr selten kontrolliert müssen die Strafen entsprechend höher sein um den Ticketkauf als ökonomisch sinnvoll erscheinen zu lassen.
Die Kosten werden entscheiden?
Schlussendlich werden die Kosten entscheiden, welche Lösung bevorzugt wird und dem Betreiber mehr Gewinn verschafft oder es handelt sich um ein historisch gewachsenes System.
Hat man sich erst einmal für ein System entschieden, wird ein Wechsel eher unwahrscheinlich, da dieser mit hohen Investitionen und vielen Veränderungen verbunden ist.
Für mich ist Berlin lean
Eine definitive Antwort welches System besser ist gibt es wohl kaum. Persönlich finde ich das offene System kundenfreundlicher und sympathischer. Der Verkehrsbetrieb vertraut dem Kunden, genauso wie ein Vorgesetzter seinen Mitarbeitern traut ohne sie per Video zu überwachen.
Für den Betreiber fällt eine Menge Wartung und Technik weg. Das offene System funktioniert überall, in U-Bahnen genauso wie an Bahnhöfen und oberirdischen Stationen. Durch höhere Strafen könnten zudem die Kontrollintervalle und Personalkosten reduziert werden, ob dies dann weiterhin kundenfreundlich ist, ist eine andere Frage.
Vielleicht bevorzuge ich das Berliner(Münchner, Stuttgarter oder Hamburger) System auch nur, weil es mir vertrauter ist.
Welches System ist schlanker, haben Sie mehr Zahlen und Fakten? Ich freue mich auf Ihren Kommentar!