Oft wird über Taylor und seine angeblich so verrückten Ideen gesprochen. Doch wer hat das Buch „Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung“ von 1919 denn wirklich gelesen?
In diesem Beitrag eine Zusammenfassung von Taylors „The Principles of Scientific Management“. Ich habe versucht diese so neutral wie möglich zu gestalten. Der Schreibstil und die Wortwahl wurden größtenteils aus dem Werk übernommen. Die Angaben in (Klammern) geben die entsprechenden Seiten im Buch an. Los geht’s:
Einleitung
Die Verschwendung der natürlichen Ressourcen ist überall sichtbar (1), doch werden nicht nur diese Ressourcen sondern vor allem auch die menschliche Arbeitskraft durch „unangebrachte oder unwirksame Maßnahmen“ vergeudet (2).
Vielfach werden von einem Betrieb die richtigen Personen am richtigen Ort gefordert, am besten schon vollständig ausgebildet und „zum Gebrauch fertig“ (3). Doch anstatt nach einer so ausgebildeten Person zu jagen, ist es besser, eine solche Person selbst auszubilden.
Taylor widerspricht der bis dahin allgemeingültige Auffassung, dass Führungskräfte geboren und nicht gemacht werden. Eine gut organisierte und geschulte Mannschaft an „Durchschnittsmenschen“ wird besser sein als eine einzelne begnadete Führungskraft (3 f).
In Zukunft gilt: System statt Person
Bisher stand die „Persönlichkeit“ an erster Stelle, in Zukunft wird die Organisation und das System an erste Stelle treten (4).
Damit ist nicht gemeint, dass es keine fähigen Menschen mehr braucht, im Gegenteil, dank systematischer Führung können diese ihre Potentiale noch besser ausleben (4).
Die Ziele des Buches sind (5):
- Aufzeigen der Ineffizienz anhand einfacher Beispiele
- Überzeugung des Lesers, dass ein systematischer Betrieb die Lösung ist
- Beweisen, das sich das „Scientific Management“ auf alle Bereiche mit menschlicher Tätigkeit anwenden lässt
I. Kapitel. Die Grundbegriffe des neuen Systems
Das Hauptaugenmerk einer Verwaltung sollte darauf gerichtet sein, gleichzeitig die größte Prosperität des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers herbeizuführen und so beider Interessen zu vereinen (7)
Die Ziele von Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind ähnlich. Beide möchten den maximalen Nutzen aus ihrer Tätigkeit erlangen, der eine durch höhere Gewinne, der andere durch höhere Löhne (8). Dies lässt sich nur erreichen, wenn beide mit höchster Effizienz arbeiten. Sind Sie und Ihr Arbeitnehmer in der Lage durch effizientere Abläufe beispielsweise zwei Paar Schuhe (eines mehr als die Konkurrenz) pro Tag fertigzustellen, so ist beiden gedient. Sie erhalten einen höheren Gewinn und Ihr Arbeiter einen höheren Lohn (9). Dieses Beispiel lässt sich auch auf ganze Regionen oder sogar Volkswirtschaften übertragen. „Die größte Prosperität kann nur die Folgeerscheinung größter Ergiebigkeit sein“ (10).
Kneifer beim Sport und Bummler bei der Arbeit
Ein Problem sieht Taylor darin, dass die Arbeiter ihr Potential zurückhalten. Im Sport gibt jeder sein Bestes und strengt sich an. Jeder der nur halbherzig dabei ist wird als „Kneifer“ bezeichnet und mit Verachtung gestraft (11).
Bei der Arbeit hingegen ist das langsames Arbeiten, Bummeln oder sich Drücken ein allgemein akzeptiertes Verhalten. Fängt einer an schneller als der Durchschnitt zu arbeiten wird er durch großen sozialen Druck der Mitarbeiter gedrängt langsamer zu arbeiten. Dies ist eines der größten Übel in industriellen Unternehmen (12).
Gründe, warum das Drückebergertum dennoch weit verbreitet ist (14):
- Die Annahme der Arbeiter, dass höhere Produktivität zu Entlassungen führt. Doch oft ist das Gegenteil der Fall, je geringer der Preis aufgrund höherer Produktivität, desto höher die Nachfrage (15).
- Falsche Verwaltungssysteme, die quasi zum „Bummeln“ zwingen. Die Bezahlung ist identisch, egal ob man schnell oder langsam arbeitet. Warum soll man sich dann anstrengen (18 f). Wird der Stücklohn bei gestiegener Produktivität mehrmals heruntergesetzt, ist der Leistungsgedanke endgültig verloren (23).
- Nicht fundierte Schätzmethoden für Arbeitszeiten und Maschinenparameter. Dies stellt den Schwerpunkt des Buches dar. In vielen Betrieben gibt es für ein und dieselbe Tätigkeit häufig 50 oder mehr verschiedene Methoden diese Auszuführen. Häufig sind diese aus Gutdünken oder Erfahrung entstanden. Durch ausführliche Bewegungs- und Zeitstudien kann die eine Beste Methode ermittelt werden (24ff).
Scheitern der Wissenschaftlichkeit im aktuellen System
In vielen Betrieben werden Parameter und Zeiten nicht nach wissenschaftlichen Methoden ermittelt, denn die Verantwortung der Ausführung liegt ganz bei den Arbeitern vor Ort. Da die vorherrschenden Probleme (z.B. die Bestimmung der richtigen Schnittgeschwindigkeit) allerdings kompliziert sind, können diese nicht ausreichend durch die Arbeiter gelöst werden. Diese bedienen sich daraufhin vorhandener Faustformeln und Erfahrungswerte (26).
Ziel des Buches ist es klarzumachen, dass der Leitung ein wesentlich größerer Anteil der Arbeit übertragen werden muss. Jeder einzelne Arbeiter soll von seinem Vorgesetzten „angeleitet und in freundlicher Weise unterstützt, anstatt (…) herumgehetzt oder geschurigelt“ zu werden (27).
Das „scientific management“ wird in den USA von 50.000 Arbeitern praktiziert, die durch dessen Anwendung 30% bis 100% höhere Löhne erhalten. Das ganze bei durchschnittlich verdoppelter Produktivität je Mensch und Maschine (28). Alles das geschieht ohne die sonst üblichen Ausstände und Streiks; es herrscht eher freundschaftliches Miteinander (29).
Einige Leser nehmen das geschriebene zu wörtlich. Taylor geht es um allgemeingültige Prinzipien, die sich an die Situation angepasst anwenden lassen. Habgier, Brutalität und Verbrechen lassen sich damit nicht ausschalten (29).
Teil 2 und Teil 3 folgen in den nächsten Beiträgen.
Quellen
Titelbild: Pixabay (bearbeitet).
Alle Seitenangaben (in Klammern) beziehen sich auf: Taylor, Frederick Winslow (1983): Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung (The Principles of Scientific Management). 2. Auflage München: Raben-Verlag. (Nachdruck der Original-Ausgabe von 1919).