In Japan benutzen bereits über 58.000 Menschen die Harada Methode und Norman Bodek der „Godfather of Lean“ ist ganz begeistert davon. Was es mit der Methode des ehemaligen Sportlehrers Takashi Harada auf sich hat, erklärt Kai Rädisch im Interview. Er ist Herausgeber und Übersetzter der deutschen Ausgabe des Harada Buches.
Zur Person
Können Sie sich kurz vorstellen?
Gerne, ich bin Kai Rädisch und seit über 15 Jahren Lean Enthusiast. Ursprünglich habe ich im Qualitätswesen (Stichwort ISO 9000 und Co.) angefangen und bin dann über die Jahre zu Lean gekommen. Seit November 2013 bin ich zertifizierter Harada Trainer.
Und wie kommt man dann zu Harada?
Wie so oft im Leben durch einen Zufall. Während eines Gewitters fiel im Hotel das Fernsehen aus. Ich suchte dann im Internet nach allerlei zum Thema Lean und bin auf ein Video von Norman Bodek zur Harada Methode gestoßen.
Wenn jemand wie Herr Bodek, der jahrelange Erfahrung mit Lean Themen hat, so begeistert von etwas ist, dann muss da was dran sein. So habe ich mich vor zwei Jahren zum Seminar in Portland, Oregon angemeldet.
Entstehung der Methode
Was ist das Ziel der Harada Methode?
Harada möchte die Menschen dabei unterstützen, ihren eigenen Weg zu gehen und ihre Ziele zu erreichen. Das wird öfter falsch verstanden: Harada hat kein Werkzeug entwickelt, um Leute besser oder effizienter zu führen, sondern um die Menschen selbständiger zu machen.
Können Sie etwas über die Entstehung der Methode erzählen?
Takashi Harada war Sportlehrer an einer der schlechtesten Schulen in Osaka. Die Schule liegt in einer schlechten Gegend. Seine Schüler waren unmotiviert und erschienen oft nur unregelmäßig zum Unterricht. Was Herrn Harada aber mehr störte war, dass seine Schüler gar kein Selbstvertrauen in ihre eigenen Leistungen hatten. Sie hatten zwar Träume, doch sie haben nie im Leben daran geglaubt, dass sie diese auch erreichen konnten.
Genau dieses Selbstbewusstsein, kombiniert mit Disziplin und einem Ziel hat Herr Harada in seinen Schülern erweckt. Nach drei Jahren gewannen die Schüler reihenweise Medaillen. Doch es verbesserten sich nicht nur die sportlichen, sondern auch die akademischen Leistungen der Schüler.
Harada schied dann aus dem Schuldienst aus und gründete vor sieben Jahren das Harada Institut um die Methode auch in der Wirtschaft anzuwenden.
Die Methode
Welche Werkzeuge verwendet Herr Harada?
Um die Ziele zu erreichen werden fünf verschiedene Vorlagen verwendet:
- Die 33 Fragen zur Selbstverantwortlichkeit. Damit prüfen Sie, wie viel Selbstbewusstsein Sie haben und worin ihre Schwächen liegen.
- Auf dem Langzeitziele-Blatt notieren Sie Ihre persönlichen Ziele und legen die Prioritäten fest. Das ist das Herzstück der Methode.
- Um die langfristigen Ziele zu erreichen werden diese in einzelne Etappen aufgespalten und auf dem 64-Felder-Arbeitsblatt
- Seine Gewohnheiten ändert man am besten, indem man täglich neue übt, dazu ist die Routinen-Überprüfung
- Und all das wird im Erfolgstagebuch Es hilft zu reflektieren und den Fortschritt zu dokumentieren.
Mit all den Formblättern scheint die Methode zu viel Wert auf die Werkzeuge und weniger auf die dahinterliegende Philosophie zu legen?
Ja, die Methoden scheinen alleine betrachtet recht starr und geben einen festen Rahmen vor. Doch wenn man Herr Harada sprechen hört, geht es ihm um viel mehr als diese Arbeitsblätter.
Sie sind, genauso wie im Lean, nur Werkzeuge, um die Ziele zu erreichen. Eines der Ziele ist die Selbstverwirklichung durch positive Verstärkung. Doch wir wissen alle, wie das mit einer Veränderung ist. Die erste Woche mit dem neuen Fitnessprogramm oder der neuen Diät sind leicht, die Zweite wird schwieriger und in der Dritten fragen wir uns: Welches Fitnessprogramm? Das hat Harada bei seinen Schülern auch erkannt und mit seinen Werkzeugen erfolgreiche Maßnahmen gefunden, dem entgegenzuwirken.
Die Meisten berichten von einem Tal der Demotivation nach ungefähr einem Monat. Sobald man dieses durchschritten, hat geht es leichter. Man hat sich dann an die Veränderung gewöhnt.
Mein Tipp: Probieren Sie die Methoden einfach mal aus. Wenn Sie nach drei Monaten nichts Positives merken, dann nutzen Sie was anderes und schreiben mir gerne ;-).
Harada sagt, mit der Methode kann man seine Ziele erreichen. Hilft sie auch dabei, diese Ziele zu finden?
Jeder Mensch hat doch Träume, die Dinge, für die er brennt. Und wie sagt man so schön: Träume mit Terminen sind Ziele. Durch ein stärkeres Selbstbewusstsein traut man sich eher, seine Ziele zu verfolgen.
Ich würde daher sagen, ja!
Ist die Harada Methode mit ihren Werkzeugen auch was für Chaoten?
Ich würde mich selbst eher als chaotisch einschätzen und das vorgegebene System hilft Ordnung in die Gedanken und Taten zu bringen. Da die Vorgaben aber nicht zu streng oder kleinteilig sind, bleibt genug Platz für kreative Freiheit.
Mein Buchtipp an alle Chaoten: „Das perfekte Chaos“ von Abrahamson und Freedman.
Kann also jeder die Methode anwenden?
Ich empfehle jedem, sich mit einer neuen Methode erst einmal intensiv auseinanderzusetzen, bevor er sich entschließt ein Seminar oder ähnliches zu besuchen.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ungefähr ein Drittel der Menschen garnicht erst anfangen möchte. Sie wollen einfach nicht täglich Blätter ausfüllen; ihnen liegt das nicht. Das ist vollkommen in Ordnung. Vor der Seminarteilnahme prüfen wir auch mit einer Einstiegsaufgabe, ob Harada das Richtige ist.
Welches Element ist das Entscheidende bei Harada?
Das hängt ganz vom Menschen ab. Viele Teilnehmer finden das Langzeitzieleblatt sehr hilfreich, weil sie damit das erste Mal über Dinge nachdenken mussten, die sie wirklich tun wollen.
Andere sagen, dass ihnen die tägliche Übung der Achtsamkeit und Dankbarkeit unglaublich hilft. Ziel dabei ist es, jeden Tag etwas Kleines, Uneigennütziges für die Gemeinschaft zu Hause und bei der Arbeit zu tun. Beispielsweise zu Hause jeden Tag abzuwaschen oder in der Firma die Spülmaschine einzuräumen und zwar ohne dafür ein Lob oder Dank oder sonst etwas zu erwarten.
Und viele sagen, dass ihnen der Mentor beim Durchhalten geholfen hat.
Kann ich die Methode auch für die Führung meiner Mitarbeiter einsetzten?
Ja, das ist prinzipiell möglich. Doch das Ziel ist erst einmal, die Selbständigkeit der Mitarbeiter zu fördern und nicht, dass sie ihre Aufgaben schneller oder besser erledigen. Diese Ziele müssen nicht unbedingt etwas mit der direkten Arbeit zu tun haben: Einer möchte endlich Drachenfliegen und der andere will in der Abteilung vorankommen.
Sie sorgen dafür, dass die Leute das, was ihnen gefällt, zielgerichteter erreichen. Will jemand beispielsweise gar nicht wirklich in ihrer Abteilung arbeiten, kann die Harada Methode helfen, das schneller herauszufinden. Denn was bringt schon ein unglücklicher Mitarbeiter.
Der Mentor
Was hat es mit dem Mentor auf sich?
In Japan ist eine Ausbildung in der klassischen Meister – Lehrling Beziehung wesentlich weiter verbreitet als in Europa oder gar in Amerika. Davon inspiriert ist die Idee des Mentors.
Der Mentor ist jemand, der den persönlichen Fortschritt überprüft und nach dem Stand der Dinge fragt. Genau so ein Mentor war Harada für seine Schüler. Er hat sich nach ihren Zielen befragt und sie bei der Erreichung unterstützt.
Der Mentor benötigt allerdings keine spezielle Ausbildung. Er sollte Sie einfach nach dem aktuellen Stand erkundigen. Er gibt dann Empfehlungen zu den Aufzeichnungen, z.B. denen im Tagebuch.
Bei vielen anderen Selbstmanagement Methoden gibt es keinen Mentor oder es ist der (bezahlte) Trainer der Methode. Das ist wohl ein großer Unterschied zu anderen Methoden.
Wen empfehlen Sie als Mentor?
Der Mentor sollte jemand sein, dem Sie vertrauen, da er die persönlichen Aufzeichnungen, wie das Erfolgstagebuch ansieht und mit dem Mentee durchgeht.
Schwierig ist es, wenn der Mentor Arbeitgeber oder Lebenspartner ist. Das geht oft gut, doch manchmal ist die Person zu involviert in die Dinge, um objektiv zu bleiben. Besser als der direkte Vorgesetzte ist z.B. jemand aus einer anderen Abteilung oder ein guter Freund, dem Sie vertrauen.
Wichtig ist, dass der Mentor stets neutral bleibt und nicht versucht, die Ziele des Mentees zu beeinflussen. Egal ob ihm diese gerade passen oder nicht.
Ein Teilnehmer am Seminar in Portland hat die Harada Methode genutzt, um Obdachlosen zu helfen. Er stellte einen Raum und Tee, in dem sich die Menschen wöchentlich trafen. Dabei bildeten immer zwei Personen ein Mentor-Mentee Gespann und unterstützten sich gegenseitig. Ohne speziell dafür ausgebildet worden zu sein.
Mir gefällt die Methode, wie fange ich am besten an?
Ich empfehle jedem, sich erst einmal mit dem Konzept von Harada und anderen Methoden vertraut zu machen. Viele Infos findet man im Internet.
Hat man sich von der Methode überzeugt, ist das Harada Buch oder ein Seminar eine gute Idee. Wichtig für den Erfolg ist erst einmal die Vertrauensperson, wenn Sie die schon haben, brauchen Sie nicht unbedingt ein Seminar.
Das Harada Institut Deutschland
Sie sind Gründer des Harada Institut Deutschland, was ist das Ziel des Instituts?
Wir verbreiten die Idee und die Ideen der Harada Methode in Deutschland. Dies geht natürlich nicht ohne Anpassungen an die westliche Welt. So übersetzten wir die Werke Haradas und bieten Seminare für die Methode an.
Daneben vernetzten wir uns mit anderen Harada Instituten in Europa. Zum Beispiel in Spanien, dem ersten europäischen Harada Institut, Polen oder Frankreich.
Gibt es Erfolgsbeispiele in Deutschland?
Eine Firma ist so begeistert von der Methode, dass sie anstatt der üblichen Dauer von drei Monaten die Methode ein ganzes Jahr angewandt haben. Dort gibt es bereits zwei interne Harada Trainer. Der Geschäftsführer erzählte, dass genau die von Harada geförderte Selbständigkeit entscheidend ist. Heutzutage ändert sich die Welt so schnell, schneller als es eine Zentrale schaff neue Anweisungen herauszugeben.
Ansonsten gibt es viele Einzelpersonen, die die Methode erfolgreich anwenden. Ich erinnere mich noch gut an einen „Zahlen-Daten-Fakten“ Teilnehmer, der „mit dem ganzen Esoterik Zeug“ nicht viel am Hut hatte. Er kam eines Morgens zu mir und meinte: „Also das mit der täglichen Planung hilft mir ungemein. Ich habe gestern ein Problem notiert und heute Morgen ist mir schon die passende Lösung eingefallen!“.
Wo kann ich mich weiter über Harada informieren?
Über unsere Webseite harada.de und unseren Newsletter. Der Austausch mit Gleichgesinnten findet hauptsächlich über unsere Facebook-Gruppe statt.
Das Ganze zusammengefasst gibt es natürlich auch in unserem Buch „Die Harada-Methode“ oder in Kurzform in einer frei verfügbaren wissenschaftlichen Veröffentlichung.
Wer Englisch spricht, findet sehr viel bei Norman Bodek.
Noch eine Frage zum Schluss: Wie lange nutzen Sie das Tagebuch schon, gab es Pausen?
Seit ich beim Seminar in den USA war, also seit November 2013, jeden Werktag. Klar gab es ab und zu kleine Löcher, ich hatte einfach keine Lust auf das Ausfüllen der Blätter. Doch ich habe sehr bald wieder damit angefangen. Es hilft einfach ungemein den Tag zu strukturieren.
Aktuell verwende ich den Tagesausdruck von Outlook als Erfolgstagebuch. Das ist schön an der Harada Methode, man braucht keine speziellen Hilfsmittel oder Tools. Stift und Papier genügen.
Vielen Dank für das Interview Herr Rädisch.